Verzögerte autonome Mobilität:

Die Hürden vor der fahrerlosen Zukunft

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Hört man manchen Politikern, Medien und nicht zuletzt Digital-Gurus zu, sind serienmäßige selbstfahrende Autos gefühlt nur noch einen Katzensprung entfernt. Tatsächlich dürfte es jedoch deutlich länger dauern.

Bereits seit Jahren fährt Tesla seine Fahrzeuge im realitätsnahen Testbetrieb mit „beifahrenden Fahrern“ durch die USA. 2021 verabschiedete der Bundestagdas „Gesetz zum autonomen Fahren“, womit hierzulande der rechtliche Weg frei ist für Autos, die bestimmte Strecken gänzlich allein bewältigen können. Egal, wohin du schaust: Als Laie könnte man absolut den Eindruck bekommen, Autos mit optionalem Fahrer seien höchstens noch ein bis zwei Jahre davon entfernt, in die Showrooms zu rollen – die ständigen Ankündigungen und Prototypen der Hersteller tun ihr Übriges.

Tatsächlich jedoch gehen Experten davon aus, dass es noch deutlich länger dauern wird, bis wir ganz selbstverständlich und dauerhaft die Arme hinterm Lenkrad in den Schoß legen und uns anderen Dingen widmen können – vom allein vorfahrenden Auto ganz zu schweigen.

Dahinter stecken aber beileibe keine trägen Gesetzesmacher oder Firmen, die die Digitalisierung verschlafen haben. Tatsächlich steht das autonome Fahren vor deutlich komplexeren Hürden, die überdies gemeinsam überwunden werden müssen.

Was ist was beim autonomen Fahren?

Was ist was beim autonomen Fahren?

Um dir zu zeigen, wie bedeutend diese Hürden sind, ist es unabdingbar, zu verstehen, was autonomes Fahren eigentlich ist. Fachleute unterscheidenhier fünf sogenannte Autonomiegrade– von denen einige bei neueren Autos bereits standardmäßig erreicht werden, ohne dass wir uns dessen bewusst sind.

Was derzeit in der Serienfertigung zum Einsatz kommt, ist Technik bis einschließlich Grad 3. Selbst, was das erwähnte deutsche Gesetz anbelangt, ist „nur“ Grad 4 geregelt.

Das heißt also: Abgesehen von extrem engen Nischen (etwa autonome Taxis an Flughäfen) ist Grad 5 noch Zukunftsmusik. Doch warum?

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Der notwendige Ausbau der Technik

Wenn du hinterm Steuer sitzt, dann verarbeiten gleich mehrere Sinne ständig zahllose Eindrücke:

In deinem Gehirn wird das alles zu Steuersignalen umgewandelt und an deine Arme und Beine gesendet.

Je mehr dieser Aufgaben vom Auto übernommen werden, desto wichtiger sind nicht nur die Sensoren im Fahrzeug selbst, sondern die Fähigkeit, zu kommunizieren. Fachleutenennen dieses Prinzip C2X – Car to X. Das Auto kommuniziert also mit anderen Dingen. Das können weitere Verkehrsteilnehmer sein oder beispielsweise Verkehrsleitsysteme. Anders geht es nicht; denn nur so können sich Fahrzeuge untereinander „absprechen“.

Hinter dieser Technik steht ein gewichtiger Grund, warum Fahren der Grade 4 und 5 noch Jahre von der Normalität entfernt ist:

Vor allem letzteres ist eine Herausforderung. Selbst, wenn wir uns nur auf deutsche Autobahnen beziehen, müssenganze 13.183 Kilometervernetzt werden – von Bundes- und anderen Straßen natürlich zu schweigen.Ein einzelner 5G-Funkturm kostet ungefähr 170.000 Euround hat eine Reichweite von lediglich zirka 500 bis 1.000 Metern – das liegt an der hohen Frequenz des 5G Netzes.

Der Rest ist pure Mathematik: Bis zumindest alle Autobahnen und Bundesstraßen vollflächig Autonomie-geeignetes 5G haben, wird, zumindestnach Aussagen der Telekom, das Jahr 2025 anbrechen. Bis es aufallenRouten vorhanden ist, dürften rasch weitere fünf bis zehn Jahre vergehen.

Das Thema Sicherheit

Ab Grad 3 ist es für den Fahrer möglich, sich für längere Zeit vom Fahrgeschehen abzuwenden. Ab Grad 4 muss er dazu nicht einmal rasch reagieren können, kann beispielsweise ein Nickerchen machen.

An dieser Stelle musst du verstehen, welch gigantischen Stellenwert digitale Sicherheit bekommt. Sowohl, was die C2X-Verbindungen als auch die Sensorinformationen und deren Verarbeitung anbelangt.

Bei allem davon handelt es sich nicht um IT, sondern um OT – Operational Technology. Neben herkömmlichen Sicherheitsfragen ist hierder Mensch erwiesenermaßen ein bedeutender Faktor: Schon heute, wo OT-Systeme etwa in der Industrie genutzt werden, werden Menschen häufig zum Auslöser und Einfallstor für Sicherheitsrisiken – sei es aufgrund ungeklärter Verantwortlichkeiten oder aufgrund zu geringer Risiko-Awareness.

Bei für die breite Öffentlichkeit gedachten Fahrzeugen würde dieser Faktor um einiges bedeutender werden. Letzten Endes muss hier jedes Auto digital so sicher sein, wie es beispielsweise bei Flugzeugen der Fall ist – bloß mit einer viel weniger sicherheitsbewussten „Crew“. Viele Menschen wollen zwar vollautonom fahren, aber sie möchten das gedankenlos tun können und sich nicht andauernd Sorgen um die digitale Sicherheit machen.

Einfach gesprochen: Beim Fahren in den höheren Autonomiegraden muss sichergestellt sein, dass die Benutzer selbst bei völliger Unwissenheit nicht versehentlich ein Sicherheitsrisiko werden können.

Und selbst, wenn das geklärt ist – also die Nutzer selbst keine Fehler mehr machen können – dann muss natürlich das Thema Hacker angesprochen werden. Dabei wiederum handelt es sich um eine Position, bei der teils völlig unvereinbare Bereiche irgendwie verknüpft werden müssen:

Wie soll man beispielsweise den legitimen Zugriff eines Mechatronikers auf die Systeme sicherstellen, aber gleichzeitig einen nicht minder fähigen Hacker abhalten

Hier musst du zudem die Symbolkraft einbeziehen. Stell dir vor, ein Autohersteller lanciert als erster ein Fahrzeug des Autonomiegrades 5. Einige Wochen später übernehmen Hacker die Flotte, legen sie lahm oder lassen sie Unfälle bauen. Derartiges wäre nicht zuletzt aus wirtschaftlicher Sicht ein Horrorszenario.

Da es keine Alternative zur dauerhaften Fahrzeugvernetzung gibt, müssen verschiedenste Sicherheitskonzepte entwickelt und erprobt werden, muss man nicht zuletzt alles immer wieder mit der Bedienbarkeit vereinbaren.

Einer von vielen diesbezüglichen Ansätzen istdas derzeitige Forschungsprojekt „VITAF“– ein System, das Attacken selbsttätig erkennt und abwendet, bevor Schäden verursacht werden.

Übrigens: Diese Standards müssen überdies international kompatibel sein, was weitere Schwierigkeiten offenbaren dürfte.

Das Thema Ethik

Vielleicht hast du dich auf den zurückliegenden Zeilen bereits gefragt, wie es in den höheren Autonomiegraden im Fall der Fälle mit der Haftung aussieht. Tatsächlich ist das eine Frage für die Gesetzesmacher. Einfach gesprochen lautet der derzeitige Stand der Dinge:

Solange sich das Fahrzeug im vom Hersteller vorgegebenen Parametern bewegt, ist der Fahrer nicht haftbar, wenn es beim Fahren ohne seine Kontrolle zu Unfällen kommt.

Schon, bis man sich zu diesem Weg durchgerungen hat, sind mehrere Jahre vergangen. Weiterhin ungelöst ist jedoch eine viel tiefergehende ethische Fragestellung: Darf das Fahrzeug Entscheidungen über Leben und Tod fällen? Und wenn ja nach welchen Gesichtspunkten?

Klingt zu kryptisch? Dann stell dir einmal folgende Situation vor: Du bist autonom unterwegs, spielst vielleicht im Handy oder schläfst. Hinter einer Kurve steht ein liegengebliebenes (nicht vernetztes) Fahrzeug und es befinden sich Menschen auf der Fahrbahn. Zum sicheren Anhalten ist keine Zeit. Die Optionen:

Bei all diesen Optionen würde irgendein Mensch mutmaßlich zu Schaden kommen. Die große Frage, über die seit Jahren Fachleute weltweit diskutieren, ist:Darf ein Computer entscheiden, was in einer solchen Situation zu tun ist?Hierbei handelt es sich um ein Thema, das weit über Mobilität hinausgeht – auf das jedoch bislang niemand eine abschließende Antwort weiß, weil so viele Faktoren abgewogen werden müssen.

Tatsächlich müssen wir aber nicht einmal auf solche Leben-und-Tod-Themen abheben, um die ethische Problematik zu berühren. Denn wenn ein Fahrzeug vollautonom fährt, dann muss es zwangsläufig unsagbar vielfältige und detaillierte persönliche Daten sammeln. Erneut steht die Frage im Raum, was vertretbar ist.

5G-Türme lassen sich ausbauen, das Thema Sicherheit ebenfalls handhaben. Die Ethik dürfte jedoch die wohl größte Hürde sein, bis wir uns ganz normal in Autos ohne Lenkrad setzen können.

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